Und hier die Gedanken eines französischen Intellektuellen: Ernest Renan wurde 1239 n. H. [1823 n. Chr.] in Frankreich in der Stadt Tréguier geboren. Sein Vater war ein Kapitän, den er im Alter von fünf Jahren verlor. Er wurde von seiner Mutter und seiner älteren Schwester großgezogen. Da seine Mutter wünschte, dass er ein Geistlicher würde, schrieb sie ihn in die Kirchenschule seiner Geburtsstadt ein. Hier erhielt er eine gründliche theologische Ausbildung. Da er ein starkes Interesse an östlichen Sprachen hatte, lernte er Arabisch, Hebräisch und Assyrisch. Danach studierte er Philosophie an der Universität. Mit fortschreitendem Studium und seiner sorgfältigen Untersuchung der deutschen Philosophie und der östlichen Literatur sah er, dass es im Christentum viele Mängel gab. Als er mit 25 Jahren 1264 n. H. [1848 n. Chr.] sein Universitätsstudium beendete, rebellierte er gänzlich gegen das Christentum und fasste seine Gedanken in seinem Werk „Die Zukunft der Wissenschaften“ zusammen. Doch kein Verlag hatte den Mut, dieses Buch, das den Charakter einer Rebellion aufwies, zu drucken und es konnte erst 42 Jahre später, 1308 n. H. [1890 n. Chr.], erscheinen.

Vor allem sagte Renan, dass Jesus nicht Gottes Sohn war. Als er zum Professor für Philosophie an der Universität von Versailles ernannt wurde, begann er diesen Gedanken langsam vorzutragen. Doch seine größte Auflehnung gegen diesen Gedanken trug sich zu, als er Professor für Hebräisch an der Collége de France wurde. Bereits in seiner ersten Vorlesung zeigte er den Mut zu sagen: „Jesus war ein ehrwürdiger und anderen Menschen viel überlegenerer Mensch. Doch auf keinen Fall ist er Sohn Gottes.“ Diese Worte schlugen ein wie eine Bombe. Allen voran der Papst, waren alle Katholiken entrüstet. Der Papst exkommunizierte Renan vor der ganzen Welt. Die französische Regierung war gezwungen, seine Stelle zu kündigen. Doch diese Worte Renans erhielten ein großes Echo in der Welt. Er gewann im Laufe der Zeit viele Anhänger. Er verfasste Werke wie „Aufsätze über die Geschichte der Religionen“, „Arbeiten über Kritik und Ethik“ und „Das Leben des Jesus“, die alle schnell vergriffen waren. Darauf akzeptierte ihn die Académie Française im Jahre 1295 n. H. [1878 n. Chr.] als Mitglied. Auch die französische Regierung lud Renan wieder zum Dienst ein und ernannte ihn zum Rektor des Collége de France.

In seinem Werk „Das Leben des Jesus“ stellt Renan ihn als Menschen dar. Renan sagt darin: „Jesus ist ein Mensch wie wir auch. Seine Mutter Maria war mit dem Zimmermann Josef verlobt. Jesus war ein großer Mensch, der bereits im Kindesalter mit seinen Worten viele Gelehrte in Erstaunen versetzte. Gott sah ihn als des Prophetentums würdig und gab ihm diese Aufgabe. Jesus hat niemals gesagt: ‚Ich bin Gottes Sohn.‘ Das ist eine Unterstellung und eine Erfindung der Priester.“

Die Auseinandersetzung zwischen Renan und dem katholischen Klerus währte lange. Während die Katholiken ihn der Ketzerei beschuldigten, klagte er sie der Lüge und der Heuchelei an. Renan sagte: „Das wahre Christentum ist eine Religion, die Gott als Einen und Jesus lediglich als Menschen und Propheten akzeptiert.“ Renan verfügte in seinem Testament, dass bei seinem Begräbnis keine religiöse Zeremonie abgehalten werde und dass an seinem Leichenzug keine Priester teilnehmen. Als er 1310 n. H. [1892 n. Chr.] starb, waren an seinem Leichenzug dann auch nur seine engen Freunde und eine große Ansammlung seiner Bewunderer anwesend.