LEBENSLAUF VON SEJJID ABDÜLHAKÎM-I ARWÂSÎ

Er war der größte Gelehrte unter der Regierung des letzten Kalifen, Sultans Muhammed Wahîd ed-dîn. Er wurde in Baschkala, in der Nähe von Van im Jahre 1281 [n. Hedschra] geboren und starb 1362 (1943 n.Chr.) in Ankara. In der Zeit, in der die Kommunisten, Freimaurer, Glaubensabtrünnige, die Rafisiten, die Juden und die Christen durch die Publikationen, Propaganda, durch die Imperien und Imperiumsressorchen den Islam zu zerstören, ihn zu beseitigen und die moslemische Jugend zu Ungläubigen zu machen versuchten, beschützte er sie. Mit anderen Worten bewahrte er die Glaubenslehre der Sunna durch seine Artikeln, seine Predigten, Vorlesungen davor, in Untergang zu verfallen. Weiterhin beseitigte mit seinem eigenen kundigen Stil die bösen und giftigen Ideen und Lügen, die der Jugend beigebracht wurden. Hierfür erduldete er viel Leid und Qual.

Als die russische Armee im Monat Redscheb des Jahres 1332 (1914) in Baschkale einmaschierte, wanderte er mit seiner Familie im Jahre 1337 nach Istanbul aus. Er ließ sich zuerst in Yazılı Medresse in Eyyub Sultan nieder, und danach in Murthada Effendi auf dem Hügel Gümüschsuyu. Er begann, in vielen Moscheen Predigten über den Islam zu halten, am Gymnasium Wefa und an der Universität Sülejmanijje der Moschee Sultan Selim Unterricht zu erteilen, die Feinde des Islam zum Schweigen zu bringen und sie in eine unwirksame Lage zu versetzen. Mit dem Erlaß des Sultans vom 8. Dhul-qadâ 1337 (5. August 1335/(1919) wurde er zum Ordentlichen Professor an der Universität Sülejmanijje ernannt. Der Erlaß lautete:

“Es wurden Debreli Vildan Faik Effendi zum Professor für Hadithwissenschaft und Abdülhakim Effendi, einer der Gelehrten von Hakkari, zum Professor für den Lehrstuhl der islamischen Sittlichkeitslehre und Seyyid Tâhâ Effendi, ehemaliger Abgeordnete von Hakkari zum Mudarris für den Lehrstuhl der Rechtswissenschaft nach Schafiî, ernannt. Für die Erfüllung dieses Erlasses des Sultans ist der Scheich ül-Islam verantwortlich. Muhammed Wahîd-ed-dîn.”

Hussejn Hilmi Efendi, der Verfasser des Buches “Endless Bliss” (Seadet-i Ebediyye) erzählt: “Ich habe alles, was von den Kenntnissen für Dies- und Jenseits notwendig ist, von ihm gelernt, indem ich seit 1929 sieben Jahre lang fortdauernd, dazu noch die sieben Jahre, in denen ich von Ankara nach Istanbul gefahren bin, an seinen Vorlesungen teilnahm. Obwohl ich unfähig war, die vorgetragenen Kenntnisse zu verstehen, und von den islamischen Vorzügen keine Ahnung hatte, wurde mir durch diesen großen Heiligen, der zu mir voller Güte, voller Gutmütigkeit, voller Mitleid war, manches von Wissen und von der Rechtschaffenheit erteilt. Ich erlebte oftmals, daß neugierige, vernünftige Leute von allen Seiten des Landes und aus fremden Ländern zu ihm kamen, ihn nach Wissen und Technik fragten und passende und überzeugende Antworten erhielten. Unter ihnen waren auch solche anwesend, die um weltliche Vorteile kamen, es waren gemeine Leute mit böser Absicht. Doch merkte er zugleich durch seinen scharfen Sinn, was sie in ihren Herzen trugen und behandelte sie dennoch bescheiden und tolerant, weil er duldsam, mitleidig und fortschrittlich eingestellt war. Die im Unterricht bei islamischen Gelehrten mit reinem Herzen und um ALLAHs, des Erhabenen willen anwesend sind und von ihnen Nuzten gezogen haben, gehen auf ihrem Weg und und halten die Vorschriften des Islam genau ein. Es wird also klar, dass diejenigen, die behaupten, von Ihm Nuzten gezogen zu haben, aber das rituelle Gebet vernachlässigen, Nuzten und Bosheiten begehen, und Heuchler oder Ausbeuter sind.

Sejjid Abdulhakim Effendi war sehr tief gebildet in den religiösen Wissenschaften und in der islamischen Mystik, dem Sufismus. Die Akademi der Universitäten, die Naturwissenschaftler und Staatsmänner kamen um ihm Fragen zu stellen, die sie für unlösbar hielten. Nachdem sie ihm eine Stunde lang zu hörten, erhielten sie die Antworten auf ihre Fragen, ohne die Frage gestellt zu haben und kehrten befriedigend daheim.

Diejenigen, denen er sein Wohlwollen und seine Vorliebe erwies, erlebten von ihm zahlreiche Gnadenwirkungen. Er war sehr bescheiden.

Man hörte von ihm nie das Wort “ich”. Er sagte ab und zu: “Man rechnet nicht mit uns neben den Großen. Wir sind nicht fähig, die Schriften der islamischen großen Gelehrten zu begreifen. Zumal tragen wir sie zum Segen vor.” In Wahrheit war er Spezialist für religiöse Wissenschaften. Er sagte einmal einem seiner Bekannten: “Die Derwischorden wurden verboten. Sonst würde hier ein Heiliger herangebildet werden.” Yusuf Dhiya Akıschık, einer seiner Schüler erzählt: “Ich küsste im Traum Abdulhakim Effendi die Handfläche. Ich wollte am nächsten Tag ihn zu Hause besuchen und ihm meinen Traum erzählen. Als ich zu seinem Haus im Stadtviertel Ejjüb kam, wollte ich wie immer seinen Handrücken küssen. Während ich mich zu diesem Zweck bückte, reichte er seine Handfläche und sagte: “Küss mir die Hand wie du sie in deinem Traum geküsst hast!” und erklärte mir viel mit seinem freundlichem Blick.”

Jemand, der ihn sehr liebte, und Rıfkı Beg, Lehrer für türkische Literatur im Gymnasium “Darüschschefeka” kamen zusammen zu ihm zu Besuch. Nach der Verrichtung des Nachtgebets saß er wortlos und nachdenklich. Es war bestimmt, daß er tief bekümmert war. Er sprach unerwartet: “Bitte, steht auf und geht!” Jedoch hatte er niemals die Gewohnheit, so zu reden. Gewöhnlich bitteten die Besucher ihn um Erlaubnis um zu gehen. Als sie wie immer seine Hand küssen wollten, befahl er: “Beeilt euch!” Daraufhin gingen sie hinaus auf die Straße, der Freund band noch im Garten seine Schnurriemen zusammen. In diesem Moment kam jemand auf ihn zu und warnte ihn: “Warum bist du noch immer hier? Los!” Dieser Mann war Abdülhakim Effendi selbst. Der Freund von Rıfkı Beg antwortete: “Ich binde noch die Riemen zusammen.” Abdulhakim Effendi sagte laut zu ihm: “Beile dich und binde deine Riemen unterwegs. Halt dich nicht mehr hier auf.” Er ging und band seine Schnurriemen draussen zusammen. Am nächsten Tag hörte man, was passiert war: Einige Minuten später, als sie durch das vordere Tor hinaus gegangen waren, traten die Polizisten durch das hintere Tor in den Garten ein, suchten das Haus durch und brachten Abdulhakim Effendi zur Polizeiwache.

Im Jahre 1349 (1931) wurde er aus seinem Haus vor das militärische Gericht in Menemen bei Izmir geführt. Damals erschien in den Zeitungen, die wegen ihrer Feindschaft gegen den Islam bekannt wurden, folgende Nachricht: “Gefangen wurde Scheich Abdulhakim, der führende Chef des Flügels von Akhisar, der zu der reaktionären Gruppe gehört.” Die Nachricht in diesen Zeitungen schrieben, als wenn der Führer einer Gruppe im Wald infolge eines langgedauerten Kampfes gefangen genommen wäre. Diese Zeitungen riefen auf dem ganzen Land zur Anarchie auf. Somit griffen sie die Moslems an. Es war unbestimmt, was man für ein Vergehen hielt. Die Häuser der Koranlehrer wurden überfallen, die Teilausgaben des heiligen Korans und die Bücher die über den Islam berichteten gesammelt und verbrannt. Die Moslems mussten diese in den Mansarden oder Brunnen verstecken. Die Feinde des Islam sagten um Weintische: “Ich bringe den Araber Mehmed (Muhammed), den Kamelhirten, aus seinem Grab heraus und lasse ihm die Beine abschneiden.” Und sie fanden Speichelleckern Applaus. Wenn sie keine Tausendpfundscheine mehr hatten, die sie in die Brust der russischen Jungfrauen, welche sie tanzen ließen, einsteckten, hefteten sie Checks an, die sie selbst unterschrieben. Diese Feinde des Islam, die offiziellen amtlichen Angesehenen, ließen Jungen aus Rumänien über Armenien bringen, damit diese, unmoralische, unsittliche Taten verübten. Diese unmoralischen Taten wurden im Übermaß verübt. Immer wenn der Gebetsruf des Muezzins vom Minarett das Geschrei der Schauspielerinnen übertönte und dadurch ihnen die Laune verdorben wurde, reagierten sie mit den Worten: “Diese Minarette sollten abgerissen werden. Mit den Worten: “Liebes Mädel, Liebe Jungfrau, nimm dir das Kopftuch vom Kopf und bleib nicht sitzen wie ein böses Mädchen” wurden die Gebote ALLAHs, des Erhabenen, verachtet, die Betrunkenen förderten einander dazu, eine neue Religion zu gründen und Wunder zu zeigen. Eins von diesen grausamen tragischen Erlebnissen, die darauf hinweisen, dass damals den Leuten der Verstand wegen Übermaß und Unglaube verlorenging, und dass das ihr Gewissen sich verschlechterte, ist für die Jugend in der Zeitung “Hakîkat” (Die Wahrheit) vom 2. Nowember 1970 (2. Ramadan 1390 n. Hedj.) unter dem Titel “Unsere traurigen Zeiten” zu lesen.

An einem Tag, wo die Feinde des Islam so weit gingen, daß sie die Moslems unterdrückten, schrieben die Zeitungen über die Erhängten und fuhren so fort: “Das Urteil über Abdulhakim und seine Anhänger soll morgen gefällt werden”. In der nächsten Nacht rezitierte ich vielmals den heiligen Koran, betete zu ALLAH, dem Erhabenen, für ihn, und schlief in Aufregung und Angst ein. Ich träumte davon, dass Abdulhakim Effendi und ich in Eyyub in der Moschee in der Nähe der mittleren Tür links am Zaun saßen. Er lächelte mir zu. Er zog aus der rechten Innentasche seines Sommermantels eine weiße Tüte heraus, packte sie aus und gab mir ein Bonbon. Sobald ich es gegessen hatte, wurde ich wach. Den Geschmack dieses Bonbons und den Genuss dieses Traums bekomme ich immer noch zu fühlen. Nachdem ich erwachte wartete ich in Freude bis zum Morgen. Endlich bekam ich die erste Zeitung, in der unter der Überschrift in großen Buchstaben folgender Bericht stand: “Der Staatsanwalt verlangte für ihn die Todesstrafe. Vom Gericht wurde er aber freigesprochen.” Und es wurde eingehend die Entlassung von Abdulhakim Effendi und fünf Personen mit ihm am 12. Februar 1931, wozu ihn das militärische Gericht verurteilt hatte, erklärt. Ich dankte meinem Schöpfer dafür. So erfolgte die fröhliche Nachricht, worauf das Bonbon im Traum hinwies.

Eines Tages ging ich zu Abdulhakim Effendi. Er unterhielt sich im Garten mit einem Herrn. Ich stand ein bisschen weit von ihnen. Als dieser Herr weg ging, er rief mich herbei. Ich ging zu ihm und setzte mich bescheiden ihm gegenüber und schaute stets vor mich hin, da ich ihm nicht ins Gesicht schauen konnte. Er began zu sprechen: “Kennst du diesen Herrn? Ihn nennt man Mazhar Tobur. Er liebt uns. Wir lieben ihn auch. Dennoch hört er nicht auf mich. Er selbst ist Chemielehrer an einem Gymnasium in Ankara. Ich rate ihm. Ich mache ihn aufmerksam mit den Worten: “Mach es so oder so.” Dennoch zieht er unsere Ratschläge nicht in Betracht, sondern er geht stur seiner Nase nach. Deshalb gibt er sich große Mühe um sich, auf den Unterricht vorzubereiten und die Prüfungsergebnisse zu bewerten. Seine Schüler, deren Eltern und die Schulleitung sind nicht zufrieden mit ihm. Würde er auf uns hören, würde er Ruhe haben und sich bei allen beliebt machen.” und äußerte seine guten Ratschläge weiter. Er sagte mir ins Gesicht schauend: “Vergiss nicht meine Ermahnungen. Denk an uns, wenn du Lehrer bist und halte meine Ratschläge ein. Dann wird es dir gut gehen.” Aber ich erwies gegenüber seiner Liebenswürdigkeit und seinem väterlichen Rat eine gemeine Flügelei und ein fehlerhaftes Verhalten mit folgenden Worten: “Mein Herr, ich werde in einem Hospital tätig sein, weil ich ja Militärapotheker bin. Militärlehrer sind an den militärischen Gymnasien tätig.”

Mit dieser Antwort, die unangebracht fiel, schien ich den Rat nicht anzunehmen. Ich bekomme immer noch den Grauen meiner Worte zu fühlen. Immer wenn ich mich an diesen Moment erinnere, kommen mir Tränen in die Augen und ich bin tief bekümmert und lebe noch immer kümmerlich mit den Worten: “Wenn ich ihn doch in diesem Moment höflich behandelt und zu ihm “Jawohl” gesagt hätte, und wenn ich doch sein heiliges Herz nicht gekränkt hätte, das ALLAH, dem Erhabenen, sehr lieb ist und in dem sich der Name des Erhabenen jeden Moment spiegelt.” Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sein Herz ein solcher Schatz ist, in den die Weisheiten, die reichen Segen des Erhabenen fließen, die aus dem heiligen Herzen des Propheten Muhammed ausstrahlen und durch die Herzen der Heiligen kommen. Ich schwitzte deshalb in Verlegenheit und im Minderwertigkeitskommplex. Aber dieser immer gut gesinnte Herr, der mit den Eigenschaften des Erhabenen wie Vergebung, Geduld, Toleranz, Erbarmung und Wohltat ausgestattet war, hatte die Güte zu wiederholen: “Vergiss nicht meine Worte, wenn du Lehrer bist! Von denen ziehst du bestimmt Nutzen.”

ALLAH, dem Erhabenen, sei Dank diesmal sagte ich: “Jawohl, mein Herr.” ALLAH, der Erhabene, hat mich davor gehütet, unhöflich wie vorher zu erwidern. Im Jahre 1947 (1336) wurde ich zum Chemielehrer am militärischen Gymnasium von Bursa ernannt. Danach wurde ich Leiter für Bildung an demselben Gymanasium. Während ich zum ersten Mal mein Amt am Gymnasium bekleidete, erinnerte ich mich an die einzelnen Ratschläge von St. Abdulhakim Effendi, Friede sei mit ihm, Darüber überlegte ich: “Er sagte damals schon dass ich Lehrer sein werde und gab mir auch Ratschläge, wie ich arbeiten solle, damit ich in meinem Arbeitsleben Erfolg habe.” Und meine Augen waren voll mit Tränen. Ich rezitierte für seine heilige Seele eine Koransure. Gleich danach trat ich in die Klasse ein. Bis ich 1379 (1960) pensioniert wurde, leistete ich meine Arbeit immer seinen Ratschlägen folgend. Nun befolge ich immernoch denselben Weg. Ich war bei allen beliebt. Mit Hilfe dessen habe ich stets gewonnen. Und führte seitdem ein glückliches Leben.

Einige Tage vor seinem Tode sprach Abdulhakim Effendi, möge Allah mit ihm barmherzig sein, nicht mehr. Einen Tag davor war er beschäftigt mit etwas und lächelte andauernd. Plötzlich schaute er zu mir herüber und sagte: “Wie schön, wie schön, ich sah “den Thron des Erhabenen”. Ich bin bei Bewusstsein.” Abdulkadir Beg, Baumwoll Händler aus Kayseri, der sich lange Jahre Abdulhakim Effendi zur Verfügung stellte, erzählte: “Es war ein Sommertag. Abdulhakim Effendi und ich verrichteten in der Eyyub-Moschee das Mittagsgebet. Dann traten wir in das Mausoleum von Halid bin Sejd Ejjub el Ensârî, möge Allah mit ihm zufrieden sein, einem der Gefährten des heiligen Propheten, Friede sei ihm ein, um ihn zu besuchen. Keiner war da außer uns. An der Fußeite seines Sarkophags knieten wir nebeneinander nieder. Er sagte mir, dass ich ihm nahe kommen und meine Augen zumachen sollte. Als ich meine Augen zumachte, sah ich plötzlich Halid bin Sejd, möge Allah mit ihm zufrieden sein, aufstehen. Er kam zu uns heran. Er war schlank, groß und stark gebaut, und hatte langes Haar. Abdulhakim Effendi befahl mir, ihm die Hand zu küssen. Ich habe ihm gleich gehorcht. Die beiden sprachen leise miteinander. Es gelang mir nicht, sie zu hören. Für einen Augenblick schaute ich sie anständig und verschämt an. Später befahl er mir, die Augen aufzumachen. Als ich meine Augen aufmachte, sah ich uns beide an dem Sarkophag sitzen. Wir gingen dann auf die Straße. Währenddessen wurde der Gebetsruf zum Nachmittagsgebet gerufen. Er fragte mich, was ich erlebt hatte. Ich erzählte ihm alles. Daraufhin sagte er: “Verrate dies keinem, solange ich weiter lebe. Seitdem vergingen 24 Jahre. Auf deine Frage erzählte ich also das alles zum erstenmal.” Er hinterließ viele Werke.